Wenn der Staat sich mal wieder nicht an seine eigenen Regeln hält

– eine juristische Betrachtung zum Fall Indymedia linksunten

Am 14.08.2017 wurde die Internetseite linksunten.indymedia.org durch das Bundesinnenministerium verboten. Gegen fünf Personen, die als Betreiber*innen ausgemacht wurden, wurde ein Strafverfahren wegen „der Bildung einer kriminellen Vereinigung“ gestartet.

Dabei bezeichnete das Bundesinnenministerium linksunten als „die einflussreichste Internetplattform gewaltbereiter Linksextremisten“. Das Verbot wurde weiter als schwerer Schlag gegen „die linksextremistische Szene“ gefeiert und kann als Reaktion auf die Riots beim G-20 Gipfel in Hamburg gelesen werden, nach denen der Öffentlichkeit ein konsequentes Vorgehen präsentiert werden sollte.

Die klare Brandmarkung der Website in der Öffentlichkeit diente auch dazu, über die Problematik des Verbotes hinwegzutäuschen. Und diese ist für alle relevant – auch für diejenigen die keine Sympathie mit der Internetseite oder den Inhalten haben, gäbe es jede Menge Gründe sich davon bedroht zu fühlen und es abzulehnen.

Die rechtliche Grundlage für das Verbot war das Vereinsgesetz. Und genau hierin liegt auch die große Gefahr, denn das Problem ist, dass Linksunten nie einen Verein gegründet hat. Diese Konstruktion wurde jedoch bewusst gewählt, um die deutlich höheren Anforderungen des Telemediengesetzes, die für Presseveröfentlichungen gelten, zu umgehen. Diese erhöhten Anforderungen gelten aus gutem Grund. Sie sind dafür gedacht, Grundrechte auf Meinungs- und Pressefreiheit zu schützen. Dies soll gerade dann gelten, wenn der Staat, wie hier, gezielt gegen gewisse Meinungsveröffentlichungen vorgehen und sie unterbinden will. Daher wurde das Verbot mit den verbreiteten Inhalten auf der Website und den Kommentaren, die unter geschriebenen Artikeln zu lesen waren, begründet.

Dabei ist auch allen klar, dass es sich bei der Internetseite zumindest um einen Blog handelte, auf dem jede*r frei veröffentlichen konnte und der somit als Pressemedium behandelt werden müsste – und auch nur nach diesen Grundsätzen verboten werden dürfte. Diese Hürde wurde aber mit dem Trick „Vereinsgesetz“ bewusst umgangen.

Sollte diese Vorgehensweise Erfolg haben, so hätte das Bundesinnenministerium eine einfache Methode, um alle ihm unliebsamen Presseveröffentlichungen als „Verein“ zu deklarieren und anschließend auf dieser Grundlage zu verbieten, was auch etwa „Reporter ohne Grenzen“ zu einer Kritik des Verbotes bewegte, denen eher wenig Kontakt zur radikalen Linken nachgesagt werden dürfte.

Trotz dieser offensichtlichen Rechtsbeugung blieb jedoch der große öffentliche Aufschrei aus – es traf immerhin eine Plattform ohne allzu großen öffentlichen Rückhalt. Das Kalkül, (grund-)rechtlich fragwürdige Maßnahmen als Testballons, unter Ausnutzung aktueller gesellschaftlicher Stimmungen, zu normalisieren, ging bislang auf.

Eine weitere Randnotiz stellt die, wie so oft, zweifelhafte Rolle des Verfassungsschutzes dar, dessen Mitarbeit am Verbot ein klarer Verstoß gegen das, aus gutem Grund verfassungsrechtlich existierende, Trennungsverbot bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Geheimdiensten war.

Die Menschen, die als verantwortlich für die Internetseite linksunten ausgemacht wurden, klagen gegen das Vereinsverbot. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat unterdessen die Ermittlungen gegen die fünf Personen, sowie weitere unbekannte Personen eingestellt. Dennoch wird bisher am Verbot eines „Vereins“ festgehalten.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Verhandlung auf den 29.01.2020 datiert. Anlässlich des Beginns der Verhandlungen findet am Tag1), dem 25.01.2020, um 17 Uhr auf dem Simsonplatz in Leipzig vor dem Gerichtsgebäude eine Demonstration in Solidarität mit linksunten statt.

Für die Verhandlung muss eine Öffentlichkeit und ein Bewusstsein geschaffen werden, um auf die Bedrohung dieses Falls hinzuweisen und hieraus einen öffentlichen Druck zu erzeugen. Das Verbot darf nicht ohne weiteres hingenommen werden.

Solidarität mit linksunten.indymedia.org und den Betroffenen!

Quellen:

https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2017/08/vereinsverbot.html

https://www.heise.de/tp/features/Indymedia-Verbot-Wenn-die-Sturmgeschuetze-der-Demokratie-schweigen-4497705.html?seite=all

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-12/indymedia-linksunten-verbot-34c3/komplettansicht

https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/rechtsstaatlich-fragwuerdiges-verbot/

https://netzpolitik.org/2019/das-verbot-von-linksunten-indymedia-und-die-zweifelhafte-rolle-des-verfassungsschutzes/

https://www.labournet.de/interventionen/solidaritaet/solidaritaet-gegen-das-verbot-von-linksunten-indymedia-widerstand-gegen-polizeistaat/

https://uebermedien.de/41162/das-verbot-von-linksunten-indymedia-ist-zweifelhafter-denn-je/

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1124528.indymedia-linksunten-verfahren-eingestellt.html

https://perspektive-online.net/2019/06/bald-zwei-jahre-linksunten-verbot-die-zensur-findet-laengst-statt/

 

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