Hallo ihr freiheitsliebenden Menschen,
wir sind Aktivist*innen der Stella Nigra – Anarchistisches Kollektiv Trier. Wir solidarisieren uns mit dem Widerstand aller Unterdrückten und Diskriminierten gegen Herrschaft. Dazu gehört für uns auch die Rebellion kurdischer und linker Gruppen gegen die Diktaturen in Türkei und Iran und insbesondere auch in der autonomen Region Rojava in Nordsyrien.
Zunächst einmal wollen wir unsere Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass die teilweise über 200 Tage andauernden Hungerstreiks und Aktionen des Todesfasten kurdischer und internationalistischer Gefangener und Aktivist*innen seit Sonntag ein Ende haben und keine weiteren Menschenleben in Gefahr sind. Die Forderungen der Hungerstreikenden, die über 8 Jahre währende Isolation des inhaftierten Abdullah Öcalans auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali aufzuheben, wurden in so fern erfüllt, als dass mensch bisher 2 Besuche seiner Anwält*innen erhielt und über diese auch mit der Öffentlichkeit/Außenwelt wieder in Kontakt treten konnte. Der türkische Staat setzt Isolationshaft, die als Foltermethode anzusehen ist, seit jeher gegen politisch Andersdenkende ein, darunter fallen nicht nur Politiker*innen und Aktivisti sondern auch Journalist*innen, die über die Zustände in bspw. den türkischen Gefängnissen berichten. Gegen diese Isolation und andere Foltermethoden in der Türkei und dem Iran zu protestieren, ist im Sinne der Menschenrechte und sollte keineswegs nur die Sache der Unterstützer*innen dieser Revolution sein. Es gibt eine Menge Möglichkeiten, diesen Protest zum Ausdruck zu bringen – nur Schweigen dürfen wir nicht!
Wie wenig dem türkischen Staat zu vertrauen ist, hat sich spätestens 2015 gezeigt, als aus politischem Kalkül die Friedensverhandlungen mit der kurdischen Bewegung abgebrochen wurden und die Repressionen gegen Kurd*innen, Internationalist*innen vor Ort und sich solidarisierenden Aktivist*innen weltweit massiv verschärft wurden. Ja richtig, weltweit. Die Unterdrückung der kurdischen Revolution wird in Mittel- und Westeuropa ebenso forciert wie in der Türkei, die EU liebäugelt trotz vorangegangener Jahre der Völkerrechtsverletzung und Massaker an der kurdischen Bevölkerung, mit dem türkischen Staatsoberhaupt Recep Tayip Erdogan als Geschäftspartner. Und lässt sich auch von seiner andauernden menschenverachtenden Politik gegenüber den libertären und nach dem friedlichen Zusammenleben vielfältigster Kulturen und Religionen strebenden Menschen in Rojava nicht abschrecken. Im Gegenteil, vor allem der deutsche Staat übertrifft sich immer wieder selbst, Erdogans meinungsverbietenden, freiheitsverachtenden und kriminalisierenden Umgang mit Aktivist*innen nachzueifern.
Staatsoberhäupter, die solche Macht ausüben können, sowie Staaten als Konstrukt zum Schutz und Erhalt einer angeblich demokratischen, sich auf Menschenrecht stützenden Ordnung, die diese aktiv sabotieren können, stellen eine große Bedrohung der Freiheit für jede*n Einzelne*n dar. Die selbstverwalteten, egalitären und basisdemokratischen Strukturen wie sie in Rojava anzutreffen sind, sind ein deutlich freierer Gegenentwurf dazu. Auffällig im Sinne dieses repressiven Verhaltens ist auch das stetige Schweigen der Medien zu Aktionen und Erfolgen der kurdischen Revolution, was zum einen der Inhaftierung solidarischer Journalist*innen geschuldet ist, zum anderen aber auch auf dem Interesse der kapitalistischen Staaten, revolutionäre Kämpfe im Keim zu ersticken, Vernetzungen zu verhindern und sich unter dem Deckmantel des Staatsschutzes vor sogenannten „terroristischen Organisationen“ an einer innovativen, hoffnungsstiftenden Gegenbewegung zu vergreifen.
Denn genau das ist Rojava – eine Hoffnung für alle freiheitsliebenden, antikapitalistischen und antiautoritären Menschen – sozusagen eine „konkrete Utopie“, die, vielleicht abgesehen von der Revolution der Zapatistas in Mexiko, im größten Zusammenhang der Gegenwart realisiert wird. Hier finden sich viele Ideale wieder, die wir als Anarchist*innen ebenfalls hochhalten und von deren Umsetzung in der Praxis wir einiges lernen können.
Da wäre das Rätesystem, das in Form einer Delegiertenzusammenkunft die politischen Forderungen und Diskussionsergebnisse aus den Kommunen zusammenträgt, um kommunenübergreifende Zusammenarbeit zu gewährleisten, ohne die Bürger*innen zu entmündigen, wie es im hier praktizierten Parlamentarismus so oft geschieht. Die Entscheidungsmacht liegt also bei den Betroffenen selbst, Entscheidungen werden nicht aufdiktiert sondern auf kleinster Ebene getroffen.
Sowohl in diesen Räten als auch in allen anderen Verantwortungsbereichen werden geschlechterdiverse, 2-köpfige Teams aufgestellt, so dass Frauen in jeder politischen Frage den Männern gleichberechtigt sind. Ihre Relevanz wird gesellschaftlich anerkannt und mehr noch, das Bewusstsein dringt auch in den alltäglichen Geschlechterverhältnissen immer weiter durch, dass die Revolution ohne Frauenbewegung, sowohl in der theoretischen als auch praktisch-militärischen Arbeit, nicht möglich gewesen wäre. So wird aus der ehemals proklamierten kurdischen Revolution die Revolution der Frauen, die diese maßgeblich geprägt haben und seitdem von türkischen Faschisten noch stärker verfolgt und misshandelt werden. Das autoritäre Regime Erdogans setzt nun alles daran, diese befreiten Frauen wieder zu unterdrücken, da ihr Erfolg in Rojava allen Frauen und Feminist*innen weltweit die Hoffnung auf einen Sieg über das Patriarchat gegeben hat und gibt. Es ist wichtig aus unserer weniger von Repression und Ehrenmord bedrohten Situation heraus, darauf aufmerksam zu machen, wie emanzipierte Frauen bekämpft werden und dafür einzustehen, dass sie nicht wieder in Vergessenheit geraten, sondern ihre Revolution fortsetzen können. In der Hoffnung, dass alle Frauen und Queers dieser Welt, sich in ihren Kämpfen gestärkt sehen und wir gemeinsam auf ein Zusammenleben ohne patriarchale Unterdrückung hinarbeiten! Sowohl durch den Support queer-anarchistischer Internationalist*innen in Syrien als auch durch Unterstützung, wie sie die Kampagne RiseUp4Rojava leistet und die wir alle hier heute auf der Demo und in den Aktionstagen des IWK zum Ausdruck bringen, können wir Schritte in die Freiheit gehen.
Auch die ökologischen Bestrebungen, der kapitalistisch geprägten monokulturellen Landwirtschaft durch Anbau nach Permakultursystem entgegenzuwirken, sowie die Wiederaufforstung der vom Krieg zerstörten Waldgebiete, sind Beispiele für eine umweltverträgliche, nachhaltige Zukunftsgestaltung, die im Sinne aller Menschen vor allem durch die Kampagne „Make Rojava green again“ realisiert werden. Wir sehen also, dass eine politische Organisierung möglich ist, die Umweltschutz nicht ausschließt – wenn sie antikapitalistisch ist und sich nicht einem ständig wachsenden, ausbeuterischen Wirtschaftsystem unterwirft.
Diese Grundpfeiler einer befreiten Gesellschaft sind Ziele und Organisationsformen, die wir voll und ganz unterstützen und uns zeigen, dass unsere Kämpfe einander ähneln und annähern. Die Ideale eines herrschaftsfreien und vom Patriarchat in allen Bereichen emanzipierten Zusammenlebens in Frieden und ohne religiöse Unterdrückung oder ethnische Konflikte, sehen wir in Rojava teils im Ansatz, teils schon umgesetzt. Wir als Stella Nigra zeigen uns solidarisch mit der Revolution in Rojava und laden alle Menschen, die sich von uns und unseren Idealen angesprochen fühlen, herzlich ein, mit uns gemeinsam zu kämpfen. Also sprecht uns nach der Demo an, nehmt euch Infoflyer mit und kommt zu unserem nächsten offenen Plenum.
Berxwedan jîyan e! Widerstand heißt Leben!